Bitte stelle dir Folgendes vor: Du siehst nach vielen Wochen eine langjährige Freundin von dir wieder und sie erzählt dir von einem Typen. Der Kerl ist häufig gedankenverloren, hat grandiose Design-Ideen, liebt das Abstrakte und kann mit Farben spielerisch leicht umgehen. Er hört gerne klassische Musik und liebt seine schrillen Outfits.
Nun möchte deine Freundin von dir wissen, was du über seine Berufswahl denkst. Bist du der Meinung, dass er eher Künstler oder Verkäufer ist?
Die Wahrscheinlichkeit, dass du dich für Ersteres entschieden hast, ist hoch. Du denkst dir, er erfülle doch alle Anzeichen, die auf einen Künstler hindeuten. Demnach trifft er exakt den Stereotypen unserer Gesellschaft, der auf einen solchen hindeutet.
Welchen Streich dir dein Gehirn dabei spielt
Dein Gehirn ist dem auf den Leim gegangen. Es lässt völlig außer Acht, wie viele Künstler und wie viele Verkäufer in Österreich leben!
So gibt es in Österreich ca. 14.500 Künstler und rund 375.000 Verkäufer, was bedeutet, dass auf einen Künstler knapp 26 Verkäufer kommen. Somit gibt es eine 26-fache (!) Wahrscheinlichkeit, dass der Typ ein Verkäufer ist.
Unser Gehirn spielt uns in diesem Zusammenhang immer wieder einen Streich. Diesen Effekt nennt man „Framing“. Man misst den verfügbaren Umständen einen höheren Wert bei, als all den rationalen Tatsachen, die wir außer Acht lassen.

Ein ungeübtes Gehirn ist schädlicher für die Gesundheit als ein ungeübter Körper.
George Bernard Shaw
Achte in den kommenden Tagen auf deine Einschätzungen. Sind sie wahrheitsgetreu, wahrscheinlich und hast du alle Umstände beachtet, oder hat dir deine Wahrnehmung ein Schnippchen geschlagen?
Anmerkung: Keine Sorge, die besten und bekanntesten Wirtschaftspsychologen der Welt sind vor diesen Fehleinschätzungen nicht gefeit. Das „Framing“ macht es uns Menschen wirklich schwer, alle Umstände in Betracht zu ziehen.
Was du daraus lernen kannst
- Glaube nicht alles, was dein Gehirn denkt
- Manchmal ist da einfach ein wilder Affenkönig ganz schön laut
- Wir wollen Problemstellungen mit wenig Aufwand lösen
- Hier gibt’s jedoch immer wieder Fallen (… die du nun kennst)
- Bestimmte Perspektiven werden hervorgehoben, andere in den Hintergrund gedrängt
- Versuche, die Umstände aus einem weiteren Blickwinkel zu betrachten
- Höchstwahrscheinlich gilt es mehrere Faktoren in Betracht zu ziehen, als du es gerade tust
- „Framing“ wird auch bewusst eingesetzt
- Achte darauf, welche Worte mit welchen Absichten benutzt werden
PS: Kennst du ähnliche Umstände und Situationen, in denen uns der Framing-Effekt einen Strich durch die Rechnung macht?
PPS: Ja, der Typ von deiner Freundin ist tatsächlich Verkäufer, denn der Einstieg beruht auf einer wahren Begebenheit.
Wenn du es liebst, dir zu solchen Themen Gedanken zu machen und du dein Gehirn besser verstehen möchtest, haben wir abschließend zwei Buchtipps für dich:
Rolf Dobelli – Die Kunst des klaren Denkens
Daniel Kahnemann – Schnelles Denken. Langsames Denken.
#highfive
euer RealTalk-Team