Diabetes Typ 1! Und weiter?

Gastbeitrag von Markus Sauer

Seit 2015 habe ich Diabetes Typ 1. Genauer gesagt seit 17.06.2015 so ca. gegen 10:30 vormittags, erfuhr ich bei einer Untersuchung bei meinem Hausarzt, dass ich Diabetes habe und ins Krankenhaus muss. Tja, da stellt sich die Welt schon mal kurz auf den Kopf. Allerdings auch nicht besonders lange muss ich gestehen. Immerhin musste ich das Dienstrad zurück in die Firma bringen und noch bei der 40er-Feier meines Kollegen anständig futtern. Ich wusste zu dem Zeitpunkt ja nicht genau was noch alles auf mich zukommen wird. Es gab aber keine großen Überraschungen. Ich musste ins Krankenhaus, wurde behandelt und geschult.

Zwei Wochen Krankenstand mit einem „Crash-Kurs“ in Diabetes für Dummies und wie man lernt alles richtig zu machen ohne dauernd Unterzucker (Hypoglykämie, kurz Hypo) oder zu viel Zucker (Hyperglykämie) zu bekommen. Im Idealfall bewegt man sich in einem Zielbereich, der für jeden individuell sein kann, im Regelfall aber zwischen 70-180 mg/dl liegt. Natürlich wird vielen von euch das jetzt nicht viel sagen.

Stellt es euch wie bei einem Auto mit dem Tank vor, unter 70 fährt man auf Reserve und zittert zur nächsten Tankstelle. In dem Fall zur Naschlade oder sonstigem Süßen. Über 180 testet man gerade ob der Überlauf an der Tankstelle funktioniert und der zu viel getankte Sprit auch wirklich abrinnt. In diesem Fall ist das der Versuch des Körpers den Blutzucker selbst über Ausscheidungen durch die Nieren, Atemluft etc. zu regulieren.

Bei gesunden Menschen hilft hier die Bauchspeicheldrüse wunderbar aus und gibt eine kräftige Portion Insulin ab, damit so etwas gar nicht erst passieren kann. In meinem Fall und dem meiner Diabeteskollegen mit Typ 1 müssen wir das extern über Insulinpumpen oder Insulinspritzen regulieren. Wenn man im idealen „Tankbereich“ unterwegs ist, sind Folgeschäden, das reicht von Amputation der Füße bis hin zur Erblindung, um nur ein paar zu nennen, eher unwahrscheinlich aber nicht ausgeschlossen. Ich könnte mich jetzt ein Leben lang darauf vorbereiten was alles passieren kann oder ich mache einfach das Beste daraus, akzeptiere die Krankheit als Teil von mir und mache einfach das was ich am besten kann. Nämlich weiter im Leben und das auf einem neuen Schwierigkeitslevel. 

Warum ich? 

Eine Frage die ich oft gehört habe. Hast du sie dir nie gestellt, wurde ich unzählige Male gefragt. Ich muss ehrlich sagen, NEIN das habe ich nicht. Meine Einstellung zum Leben ist, dass alles eine Chance sein kann, wenn ich das Richtige daraus mache. Ihr fragt euch nun bestimmt, wie kann Diabetes eine Chance sein und wofür überhaupt? Das ist eine gute Frage! Hätte ich diese bei der Diagnose gestellt bekommen, hätte ich sie nicht beantworten können. Nun sind einige Tage ins Land gezogen und ich kann sie beantworten.

Hätte ich Diabetes nicht bekommen, wäre ich heute nicht da wo ich jetzt bin. Ich habe einen guten Job der mich zu 99% glücklich nach Hause gehen lässt. Bin sportlicher und fitter als ich es mir jemals nur im Ansatz hätte vorstellen können. Ich stecke sogar einige gesunde Athleten ganz locker in die Tasche. Meine Einstellung einfach nicht änderbare Dinge anzunehmen und die Tatsache, dass ich gewisse Eigenschaften, Dinge usw. loslassen muss um weiter voranzukommen, konnte ich vertiefen. Ich habe mich selbst besser und die Signale die mein Körper sendet, wie Hypos oder Hypers, besser verstehen gelernt. Gehe positiver eingestellt durch den Alltag. Und das sind nur ein paar Dinge, die dieses süße Mitbringsel mir gelernt und weiter ausbauen geholfen haben. 

Unheilbar chronisch krank! Na und!

Aktuell gibt es für Diabetes noch keine Heilung, sondern nur Therapiemöglichkeiten und Medikamente die mir und allen Menschen mit Diabetes, egal welcher Typ, helfen die dauerhafte gesundheitliche Begleiterscheinung in den Griff zu bekommen. Wir könnten jetzt alle eine Selbstmitleidsgruppe bilden und uns gegenseitig bemitleiden, aber das bringt niemanden von uns weiter. Im Gegenteil es zieht uns eher runter und macht uns nur noch mehr krank. Ich habe losgelassen so gesund zu sein wie jemand ohne Diabetes. Mir geht es gut damit und ich erreiche meine Ziele die ich mir setze. Ich gehe sogar so weit, dass wenn ich gefragt werde, müsstest du eine Krankheit aussuchen die dich ein Leben lang begleitet, welche wäre das? Würde ich Diabetes wählen und antworten. Immerhin ein süßer Weggefährte. 

Ich habe der Krankheit auch einen Namen gegeben. Auf die Idee hat mich eine APP (mySugr) mit dem Diabetesmonster gebracht. Für mich ist es kein Monster. Eher ein treuer Weggefährte der mich bis zum Schluss begleiten wird. Ein Kumpel, wenn es gut läuft, ein blöder Sack, wenn es nicht so läuft. Letzten Endes ist es immer, dass was ich mit meiner Selbstbehandlung gemacht habe. Und zum Namen von meinem Kumpel, ich habe es Mauzi (Spoiler, ein Pokemon heißt gleich) getauft. Den Spitznamen habe ich selbst mal bekommen und nachdem der Kumpel ja ich selbst bin, kann es auch den gleichen Spitznamen haben. Das klingt jetzt bei weitem nicht mehr so schlimm oder? Seht ihr, unheilbar krank! Na und? 

Eine Krankheit die Grenzen setzt oder so…

Falsch. Fast zur Gänze Falsch. Die Grenzen setzt man sich selbst nur mit fortschreitendem Alter und durch mögliche Folgeerkrankungen werden sie dann schon von Diabetes selbst gesetzt. Erstmal möchte ich zu Grenzen sagen, dass ich sie mir selbst setze. Wenn ich damit zufrieden bin, ist alles gut. Dann darf ich aber auch nicht jammern, wenn ich nicht über meine Grenzen gehen kann. Wenn ich sie verschieben möchte, muss ich daran arbeiten und mich erstmal langsam herantasten. Ich bin sehr sportlich und laufe Marathons und wenn es mich überkommt auch Ultramarathons (die sind dann weiter als 42,195 km). Das ist für einen gesunden Menschen ohne Training schon ganz herausfordernd.

Markus Sauer beim Grazathlon

Jetzt versetzt euch in meine Lage und multipliziert es mit einem Faktor der euch gefällt. Es ist völlig egal wie hoch der ausfällt. Während der Belastung, egal ob Wettkampf oder im Training, muss ich ständig meinen Blutzucker überwachen und darauf reagieren. Das muss ich ja sowieso dauerhaft machen. Also 24/7, 365 Tage im Jahr, manchmal, so ca. alle 4 Jahre, sogar 366. Je länger ich trainiert habe und mich damit auseinander setzten durfte, desto besser konnte ich mein Training und meine Wettkämpfe absolvieren. Ich bin meine längste Distanz über 75 km und 2500 Höhenmeter gelaufen. Einen Marathon am Berg über 44 km mit knapp 3200 Höhenmeter habe ich gemacht und ich bin in jedem Bundesland in Österreich innerhalb eines Jahres einen Marathon gelaufen.

Beim Grazathlon habe ich die Ultradistanz absolviert. Das bedeutet so viele Runden zu laufen bis der letzte Startblock gestartet ist. Insgesamt waren das dann 34 km und 78 Hindernisse. Ihr seht also schon, ich kenne sportlichen gesehen kaum Grenzen. Ich möchte allen zeigen, dass Diabetes zwar nicht das ist was man sich in seinem Leben unbedingt wünscht, aber dennoch nicht das Ende der Welt geschweige denn, das Ende meines oder eures Lebens bedeutet. Also kümmert euch um euch selbst, achtet auf euch und eure Gesundheit und nehmt die Hilfe von Ärzten, Diabetelogen, Ernährungsberatern, usw. an. Ihr werdet sehen, auch euch sind kaum Grenzen damit gesetzt. 

Diabetesparty

Was auch zu sagen ist, feiern geht trotzdem. Ich habe seit meiner Diagnose viele Partys gemacht. Und auch einiges getrunken. Es ist natürlich nicht das Gesündeste, das ist es aber für niemanden. Man kann sich gerne ordentlich feiern lassen und sich anständig die Rüstung verzinken und am nächsten Tag Shit-Faced auf der Couch liegen und langsam wieder zum Leben erwachen. ES IST MÖGLICH! ALLES IST MÖGLICH! Mit Vorsicht und Bedacht. Es gilt dabei immer aufzupassen.

Auch hier stellt mich Diabetes vor eine Herausforderung auf die ich achten musst. Alkohol hemmt die Leber den Zucker im Blut zu verstoffwechseln, weil sie mit entgiften beschäftigt ist. Hier muss ich extrem aufpassen, dass ich nicht zu viel von alkoholischen Getränke erwische und gleichzeitig zu viel Insulin spritze. Dann kann es ganz schnell gehen und aus einer lustigen Partynacht wird der Horror. Man erwacht, sofern es nicht zu heftig ist, im Krankenhaus und muss mühsam wiedereingestellt werden und sich zurückkämpfen.

Mir ist das noch nicht passiert und bleibt mir hoffentlich erspart. Hier versuche ich nicht meine Grenzen zu verschieben. Ich kenne sie und weiß, dass das äußert dumm ist. Ich möchte nur sagen, dass es trotzdem möglich ist mitzufeiern und auch einmal über den Durst zu trinken erlaubt ist. Wie man sieht, das Leben ist, dass was ich daraus mache. Und ich finde das mein Leben mit Diabetes schön ist. 

Punkte für ein besseres Leben (mit Diabetes, aber auch generell anwendbar) 

  • Akzeptiere was du nicht ändern kannst und lass los, dass es vielleicht irgendwann mal möglich sein wird. Wenn dem so ist, dann kommt es sowieso auch wenn ich nicht darauf warte.
  • Achte auf dich selbst und versuche deinen Körper und die Signale zu verstehen, die er dir sendet. Wir sind keine Maschinen mit Warnleuchten, die uns signalisieren wann Schluss ist. Das muss jeder für sich selbst finden und merken. 
  • Gib deinen Problemen oder Aufgaben einen Namen und schau was du für, gegen oder mit ihnen machen kannst damit du sie löst.
  • Lerne deine Grenzen kennen und nimm sie fürs erste an. Wenn du sie kennst kannst du selbst entscheiden, ob du sie verschieben oder belassen möchtest wo sie sind. Es ist was du daraus machst. Mach niemand anderen für deine Grenzen verantwortlich, du alleine bist dafür verantwortlich. 
  • Bewegung ist gesund und hilft dir bei allem. Finde was dir Spaß macht und dann „Go for it!“
  • Wenn es mal gar nicht läuft, dann ist das auch nicht schlimm. Es gibt so Tage. Einfach abhaken und weitermachen. Es wird wieder. 
  • Wenn du etwas wirklich willst und du nur hörst das geht nicht oder anderes Blabla, dann scheiß drauf und mach einfach. Das schlimmste was passieren kann ist zu scheitern. Das ist kein Verlust, du gewinnst nämlich immer noch an Erfahrung dabei und lernst etwas. Wenn du hinterher hörst, ich habs dir ja gesagt, dann haben die anderen wenigstens Recht gehabt. Dir kann es egal sein, du weißt, du hast es versucht und kannst dir keine Vorwürfe machen. 
  • Und last but not least. A little party never killed nobody. Feiern ist erlaubt und soll auch sein. 

Ich hoffe es hat euch Spaß gemacht, das zu lesen und ich konnte euch ein paar Einblicke und vielleicht auch Tipps geben. Falls ihr Fragen habt oder etwas genauer über mein Diabetesmanagement wissen wollt könnt ihr euch gerne über RealTalk, Instagram oder Facebook melden. 

Süße Grüße Markus
und sein Diabetes Mauzi